Schattenmann by Paul Grossman

Schattenmann by Paul Grossman

Autor:Paul Grossman
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-07-15T22:00:00+00:00


18. KAPITEL

»Warum nehmen wir nicht die Métro?« Vivi schmollte. »Immer willst du zu Fuß gehen, Willi.«

»Ich gehe gern zu Fuß. Das ist gesund, auch für dich.« Er hatte den Versuch aufgegeben, diese verdammte Treppe zur Métro hinabzusteigen. Eine solche Phobie zu bekämpfen war unmöglich. Entweder sie verschwand, oder man arrangierte sich damit. Es gab Veteranen aus dem Krieg, die immer noch bei jedem Donnerschlag sofort in Deckung gingen. »Außerdem ist es nur ein paar Straßen entfernt.«

»Aber gehen macht Schwielen. Und ich möchte, dass meine Füße weich und entzückend bleiben. Du etwa nicht?«

Sie drängte sich beim Gehen dichter an ihn und schob sich unter seinen Arm. Mittlerweile war es Herbst, und Paris erwachte wieder zum Leben. Die Straßen pulsierten von Menschen, die diesen frischen Septemberabend genossen. Es war berauschend, ein wunderschönes Mädchen im Arm zu haben. Frauen grüßten ihn mit einem Nicken, Männer warfen ihm neiderfüllte Blicke zu. Kraus fühlte sich so männlich wie schon seit … Er wusste nicht, wie lange nicht mehr.

»Deine Füße sind hinreißend«, flüsterte er.

»O Willi.«

Gewiss, ihre Beziehung hatte weit länger gedauert, als er geplant hatte. Eigentlich hatte es nur eine kurze Sommeraffäre sein sollen. Aber inzwischen hatte sich die ganze Sache eingespielt, und auch die Kratzer auf seiner Brust waren verheilt. Der Sex zwischen ihnen war erstaunlicher als je zuvor, manchmal sogar so gut, dass seine Augen vor Dankbarkeit brannten, wenn er sie in den Armen hielt. Dennoch hatte er Phillipe Junot nicht vergessen. Das Schicksal hatte es ihm überantwortet, den Mörder des Jungen zu finden. Und heute Nacht wollte er herausbekommen, wie viel seine Freundin über ihn gewusst hatte.

»Ist dir eigentlich klar, Willi«, sie drückte ihre Wange an seine Brust, »dass du bis auf diesen Blödsinn mit dem Zu-Fuß-Gehen ziemlich perfekt bist? Du bist so ziemlich der perfekteste Mann, den ich je kennengelernt habe. Ich habe schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen diese Verbindung gespürt. Du auch?«

»Ich spüre sie jetzt.«

»Es ist, als würdest du erraten, was ich brauche. Woher zum Beispiel wusstest du, dass ich so gerne zu einer Wahrsagerin gehen wollte?«

»Es war einfach nur eine Idee.« Das schlechte Gewissen regte sich. Er hatte es ganz sicher nicht erraten, sondern er manipulierte sie, wollte ihre Reaktion sehen, wenn sie an der verbotenen Spielhölle am Quai de Valmy 234 vorübergingen.

»Genau das meine ich, siehst du? Seit Phillipe gestorben ist, wollte ich mir meine Zukunft vorhersagen lassen. Erst gestern habe ich es mir vorgestellt. Und dann erzählst du mir von dieser Frau. Das ist Telepathie!« Sie drückte seinen Arm. »O Willi, ich hoffe, sie ist gut. Ich meine, wenn wir wirklich die Zukunft wüssten …« Ihre Blicke klebten förmlich an ihm. »Dann brauchten wir uns nicht so viel Sorgen zu machen, nicht wahr?«

»Ich habe dir gesagt, dass sie aus der Hand liest, Vivi. Sie sagt nicht die Zukunft voraus.«

»Aber du kommst auf jeden Fall darin vor.« Sie schmiegte sich noch dichter an ihn. »Ich habe das Gefühl, dass die Zukunft einfach … He, wieso gehen wir hier entlang?« Sie hob den Kopf, als sie den Quai de Valmy erreichten.



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